Die verbotenen Pokémon-Episoden

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Die Reisen in Pokémon von Ash Ketchum und seinem treuen Freund Pikachu umfasst mittlerweile über 1100 Anime-Episoden und ein Ende ist nicht in Sicht. In dieser Zeit haben die beiden eine Menge erlebt, doch nicht jedes Abenteuer bekamen wir Zuschauer auch zu Gesicht. Bei meiner Mission, alle verfügbaren Folgen der Serie durchzuschauen, fiel mir schon während der ersten Staffel auf, wie viele Folgen nicht auf herkömmlichem Wege verfügbar sind.

Wie sich herausstellt, wurden viele Episoden aus einer Reihe an Gründen gebannt. Manche wurden nur in Japan ausgestrahlt, manche schafften es sogar mitsamt Übersetzung nach Deutschland und wurden erst im Nachhinein aus dem Sortiment genommen. Wieder andere erhielten nicht einmal in Japan eine erste Ausstrahlung. Was hat es nun also mit diesen ominösen Folgen auf sich?

Ein Blick zurück

Um die Langweiler aus dem Weg zu bringen, die Episoden „Satoshi to Haruka! Hoenn de no Atsuki Battle!!“ aus Staffel 8, „Satoshi to Hikari! Aratanaru Bōken ni Mukatte!!“ aus Staffel 10 und „Fushigina Ikimono Pocket Monsters!“ aus Staffel 12 wurden allesamt nur in Japan ausgestrahlt. Grund dafür sind jedoch keine Kontroversen, sondern lediglich die Tatsache, dass diese Episoden reine Rückblenden sind und demnach nichts Neues zu bieten haben.

James… Shantay you stay

Schon deutlich interessanter ist der Grund für die Bannung von Episode 18 „Beauty and the Beach“. In dieser Folge veranstalten Ash, Misty und Rocko einen Strand-Schönheitswettbewerb, um ein Restaurant vor dem Bankrott zu retten. Doch nicht nur die Freunde, sondern auch die Zuschauer haben nicht die Rechnung mit Team Rocket gemacht – diese sind nämlich der Grund für die Bannung. James hat sich schon des Öfteren Frauenkleidung angezogen, doch um diesen Schönheitswettbewerb zu gewinnen muss er auch leicht bekleidet eine reizende Dame darstellen. Wie er das anstellt? Mit falschen Brüsten natürlich! Um Mistys Hoffnung auf den Sieg zu nehmen, bläst er sie sogar vor ihren Augen auf und macht sie damit noch größer.

Das war dem Lokalisierungsteam wohl doch zu viel und so wurde diese Episode außerhalb von Japan vorerst übersprungen. In den USA wurde sie etwas später als „verlorene Folge“ doch noch ausgestrahlt, die Szenen mit James wurden jedoch entfernt. Hier in Deutschland bekamen wir weder James‘ Oberweite noch den Rest der Folge je offiziell zu Gesicht.

Rossanas Blackface-Kontroverse

Drei Folgen, die es zwar zu uns nach Deutschland schafften, im Nachhinein dennoch die rote Karte erhielten waren „Rossanas Odyssee“ aus Staffel 1 sowie „Theater, Theater…“ und „Ash und die Lektion auf der Mandarin Insel“ aus Staffel 2. Grund für den Bann waren nicht die Ereignisse innerhalb dieser Episoden, sondern der Auftritt eines bestimmten Pokémon: Rossana.

Rossana wird auch als „Humanotyp-Pokémon“ bezeichnet, da es sowohl einen menschenähnlichen Körperbau hat als auch laut diverser Pokédex-Einträge eine menschenähnliche Sprache zu sprechen scheint. Wie viele andere Pokémon auch findet Rossanas Design einen Ursprung in japanischer Mythologie und basiert auf den ebenfalls menschenähnlichen Kreaturen Yamauba und Yuki-Onna.

pokemon rossana

Rossanas schwarzer Hautton sowie ihre prallen Lippen stoßen schnell auf Kritik. Das Design des Pokémon erinnerte viele an Blackface. Das Blackface entstammt den sogenannten Minstrel Shows, einer rassistischen Form der Bühnenunterhaltung, die vor allem in den 1830ern und 1840ern in den USA sehr populär war. Meist bestanden Minstrel Shows daraus, dass sich weiße Darsteller das Gesicht dunkel färbten und dicke rote Lippen trugen (das sogenannte Blackface), um sich über schwarze Menschen lustig zu machen.

Insbesondere nachdem die afroamerikanische Autorin Carole B. Weatherford Rossanas Design öffentlich kritisierte, bekam der Fall größere mediale Aufmerksamkeit. Als Antwort auf den Skandal wurden die Rossana-Episoden nicht wieder ausgestrahlt. Folgen mit kleinen Rossana-Auftritten wurden so editiert, dass das Pokémon nicht zu sehen ist und konnten so weiterhin gesendet werden. Die Episode „Kōri no Dōkutsu!“ der fünften Staffel, welche ebenfalls ein Rossana enthielt, wurde aufgrund dessen nicht außerhalb Japans gesendet.

Beginnend mit den nicht-japanischen Versionen der Spiele Pokémon Gold/Silber/Kristall bekam Rossana ein neues Design mit violetter Hautfarbe, welches bis zum heutigen Tage ausschließlich genutzt wird. Ab der Episode „Eifer sucht Eifersucht!“ aus der achten Staffel ist Rossana auch wieder mitsamt neuem Design im Anime dabei. In der japanischen Amazon Prime-Veröffentlichung des Anime lassen sich auch editierte Varianten der alten Folgen finden, welche Rossana mit neuem Design zeigen. Für die Virtual-Console-Veröffentlichung von Pokémon Snap und Pokémon Gelb wurde Rossanas Aussehen ebenfalls aktualisiert.

Ein ähnliches Schicksal wie die früheren Rossana-Episoden erlitt Jahre später die Folge „Satoshi to Nagetukesaru! Yūjō no Touchdown!!“ aus der 21. Staffel. In dieser Episode verkleidet sich Ash als das Pokémon Quartermak, wofür er einen großen Teil seines Gesichts schwarz anmalt. Um einen erneuten Blackface-Skandal weitestgehend zu vermeiden wurde diese Folge nicht außerhalb Japans ausgestrahlt.

Die Legende von Dratini

Die Episode „Miniryu no Densetsu“ aus der ersten Staffel ist in dreierlei Hinsicht wichtig. Zum einen sollte sie den Zuschauern die beiden Pokémon Dratini und Dragonir näherbringen. Außerdem besuchen Ash und seine Freunde die ebenfalls in den Spielen vorkommende Safari-Zone. In dieser fängt Ash auch eine ganze Herde Tauros, welche in späteren Folgen der Serie vorkommt.

All diese Dinge wurden nicht-japanischen Zuschauern der Serie jedoch vorenthalten, wodurch insbesondere die Herkunft von Ashs Tauros-Herde zu einem Rätsel wurde. Grund für die Bannung dieser Episode ist die Darstellung von Waffengewalt.

pokemon dratini

Der Inhaber der Safari-Zone, ein gewisser Herr namens Kaiza, besitzt eine Pistole, welche er Thunderbolt nennt. Diese hält er oft drohend an die Köpfe der Kinder und schießt später mit ihr auch auf Team Rocket (welche durch Anime-Logik jedoch den Schüssen mehr oder weniger geschickt entgehen können). Zwar werden Schusswaffen auch in einigen anderen nicht-gebannten und insbesondere alten Episoden gezeigt, doch ist die Darstellung solcher in „Miniryu no Densetsu“ deutlich dominanter und für Kinder vermutlich beängstigender, weswegen die Episode nur in Japan ausgestrahlt wurde.

Das Problem mit Erdbeben

Besonders frustrierend für Fans, die alle Folgen sehen wollen, ist es, wenn sich manche Folgen gar nicht, nicht einmal auf Japanisch, finden lassen. Dieses Schicksal erlitten drei Folgen: „Yureru Shima no Tatakai! Dojoach VS Namazun!!“ aus Staffel 8 sowie „Rocket-dan VS Plasma-dan! (Zenpen)“ und „Rocket-dan VS Plasma-dan! (Kōhen)“ aus Staffel 14.

Über all diese Folgen ist nicht viel bekannt und außer Preview-Material lässt sich auch nichts weiter finden.

Alles, was von „Yureru Shima no Tatakai! Dojoach VS Namazun!!“ bekannt ist, ist, dass in der Folge ein Junge namens Chōta auftauchte, welcher ein Problem mit mehreren Welsar hatte und auch im Besitz eines Schmerbe ist, welches hier seinen ersten Auftritt haben sollte. Im Anime verursachen Welsar häufiger Erdbeben – so wird es auch in dieser Folge gewesen sein. Kurz vor der geplanten Erstausstrahlung ereignete sich ein Erdbeben in Japan, weshalb diese Episode übersprungen und die Attacke Erdbeben seitdem von keinem Pokémon im Anime benutzt wird.

„Rocket-dan VS Plasma-dan! (Zenpen)“ und „Rocket-dan VS Plasma-dan! (Kōhen)“ waren ein zweiteiliges Special, welches eine besondere Rolle in der Geschichte von Team Rocket und Team Plasma spielen sollte. Neben Team Plasma sollte auch das Pokémon Kleoparda zum ersten Mal auftauchen. Daher ist es besonders bitter, dass keine der beiden Episoden je ausgestrahlt wurde. Grund dafür ist vermutlich wieder ein Erdbeben, da die Vorgängerepisode „Ansturm der Toxiped!“ ein solches andeutete. Da sich zu dieser Zeit erneut ein Erdbeben in Japan ereignete, wurden diese beiden Episoden trotz ihrer Relevanz nie ausgestrahlt.

Zeitweise verbotene Episoden und die Korea-Situation

Die beiden Episoden der ersten Staffel „Tentacha & Tentoxa“ sowie „Der Terror-Turm“ wurden nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center sowie dem Pentagon am 11. September 2001 vorübergehend aus dem amerikanischen Sendeplan genommen. Erstere weil die Zerstörung von Hochhäusern durch ein gigantisches Tentoxa dargestellt wird, letztere allein aufgrund ihres Namens.

Der Release der Episoden „Angeln will gelernt sein…!“ aus Staffel 14 und „Ein Zuhause auf dem Meeresgrund!“ aus Staffel 18 (ursprünglich Staffel 17) wurde nach hinten verlegt, da ihr ursprüngliches Erscheinungsdatum zu nahe an dem Datum von Katastrophen war, an die diese Folgen erinnern könnten. Erstere Episode wurde aufgrund eines Erdbebens verschoben, letztere aufgrund der Darstellung eines versunkenen Schiffes kurz nachdem sich in Südkorea ein Schiffsunglück ereignete.

Südkorea selber hat eine große Liste an gebannten Episoden, die in anderen Ländern kein Problem darstellen. Der Grund dafür ist die Darstellung japanischer Kultur und die allgemein negative Haltung Koreas gegenüber Japan.

Die gesamte Liste von in Südkorea gebannten Episoden hier aufzulisten würde den Rahmen sprengen, doch umfasst sie zahlreiche Folgen der ersten sieben Staffeln.

Der Pokémon-Shock

Die wohl mit Abstand bekannteste gebannte Folge des Pokémon-Anime ist ohne Zweifel „Dennō Senshi Porygon“. Die 38. Episode der ersten Staffel verfolgte das Ziel, den Zuschauern das Pokémon Porygon vorzustellen. Ash und seine Freunde reisen in dieser Folge zusammen mit dem Virtuell-Pokémon Porygon in einen PC, um einen durch Team Rocket verursachten Fehler im Pokémon-Transfer-System zu beheben. An sich ist die in dieser Folge erzählte Geschichte nicht sonderlich problematisch. Was diese Folge jedoch berüchtigt machte, war der als „Pokémon-Shock“ bekannte Skandal, den sie auslöste.

pokemon pikachu

Während Ash und seine Freunde auf dem Rücken Porygons durch das Cyberspace reisen, verteidigt sich Ashs Pikachu mithilfe von seinen Elektro-Attacken vor einer Art raketenschießendem Antivirus-Programm. Die daraus resultierenden Explosionen flackerten in 12Hz wiederholt rot und blau, in einer Szene sogar ununterbrochen für 4 Sekunden. Daten zufolge erlitten rund 700 Kinder, die sich diese Folge anschauten, epileptische Anfälle und wurden in Krankenhäuser eingeliefert.

Eine an Kinder vermarktete Serie, die aktiv die Gesundheit der Kinder gefährdet, war selbsterklärend der Grund vieler Beschwerden, welche nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb Japans für Schlagzeilen sorgten. Da ist es kein Wunder, dass diese Folge selbst in Japan kein zweites Mal gesendet wurde.

Als Reaktion auf diesen Vorfall wurden in Japan verschärfte Vorschriften zu flackernden Lichtern in Anime-Serien und -Filmen eingeführt, sowie Warnungen vor potenziellen epileptischen Anfällen zu Beginn von animierten Unterhaltungsmedien. Diese Vorschriften gelten bis heute noch. Ein ebenfalls bis heute anhaltendes Resultat ist, dass das Pokémon Porygon aufgrund seiner Assoziation mit dem Skandal (mit Ausnahme einiger kurzer Cameo-Auftritte) nicht mehr im Anime auftaucht. Von seinen Entwicklungen Porygon2 und Porygon-Z fehlt in der Serie bis heute jegliche Spur.

Niklas, der Nintendo-Nerd

Shout out an Franks’ Neffen, der uns lieberweise sein gemaltes Pikachu zur Verfügung gestellt hat. Schaut mal bei ihm vorbei: https://www.instagram.com/anime.zeichner21/